Kleider machen Leute - Textilien in Tansania

"Mir hat gefallen, dass die ganze Kultur mit einbezogen wurde, dass man die Sache tragen durfte und dass es so viel Anschauungsmaterial gab."

KangaDas Thema Textilien haben wir gemeinsam mit den Jugendlichen ausgesucht und bearbeitet. Im Sommerprojekt 2003 hatte jede/r Teilnehmer/in ein bestimmtes Thema, zu dem gemeinsam mit sansibarischen Jugendlichen gearbeitet werden sollte, z.B. Kopfbedeckungen oder Kleidung für bestimmte Anlässe. Es ergaben sich spannende Diskussionen über Schuluniformen, über Brautkleider oder Kleidung, die auf Beerdigungen getragen wird.
 
Hauptsächlich wollten wir aber der Frage nachgehen, wie Sansibaris zu dem Thema Altkleider stehen. Altkleider, das wissen hier in Deutschland die wenigsten, werden aufwändig sortiert und anschließend exportiert. Die erste Wahl verbleibt in unseren eigenen Second Hand Shops, die zweite Wahl geht nach Osteuropa, die dritte Wahl landet in der Regel in Afrika, also auch in Tansania. Und das, obwohl in Tansania selbst Baumwolle angebaut wird und noch bis Ende der 80er Jahre eine gut funktionierende Textilindustrie vorhanden war. Heute kleiden sich 90% der TansanierInnen auf dem Altkleidermarkt ein. Diese Sachen sind günstiger als Neuware, modischer, und es ist für jeden etwas dabei. Der Altkleiderhandel hat zahlreiche UnternehmerInnen hervorgebracht, Frauen, die in den Büros Angestellte besuchen und ihre Wünsche aufnehmen, um dann das Passende für sie zu finden oder Jugendliche, die mit wenigen Kleidern auf Bügeln durch die Straßen ziehen, in der Hoffnung, KundInnen zu finden. Aber auch in den Dörfern konnten sich so viele Geschäfte entwickeln.
Mädchen mit Kopftuch
 
Mädchen mit Kopftuch
beim Sommerprojekt
 
SchneiderInnen trifft diese Entwicklung natürlich hart. Statt eigener neuer Kreationen ändern und bessern sie jetzt europäische Altkleider aus. Viele sind damit zufrieden, denn so haben sie auch ein Auskommen. Das ist besser als leere Geldbeutel und gar keine Einkünfte mehr zu haben.
 
Eine Projektteilnehmerin interviewte HändlerInnen, SchneiderInnen und KonsumentInnen. Die Ergebnisse dieser Befragungen spiegeln die Vielfalt sansibarischer Meinungen wider und laden zu eigener Diskussion und Meinungsbildung ein.
 
 
Ich heiße Ally Mussa Kwaza, bin 53 Jahre alt und der Manager von Amani, einem Altkleidergroßhandel auf Sansibar. Amani wurde 1999 eröffnet. Davor kamen alle Altkleider vom tansanischen Festland nach Sansibar. Amani kauft die Altkleider direkt aus Amerika und Großbritannien und exportiert den Großteil dieser Altkleider wiederum in andere afrikanische Länder. Doch das Altkleidergeschäft ist keineswegs sehr gewinnbringend. Der Staat hat uns von den Steuern befreit, nur dadurch können wir überleben.
 
Pro Monat verkauft Amani zwei bis drei Container ins Ausland. Das hängt von der politischen und ökonomischen Situation der anderen afrikanischen Länder ab. Politische und soziale Probleme, Bürgerkriege oder Inflation der Abnehmerländer bestimmen vorrangig unser Geschäft. Die Einkäufe/Importeurer im Ausland kontaktieren wir per Internet. Die meisten Absprachen werden per Email getroffen.
 
Besonders nach dem Fastenmonat Ramadan und nach den Pilgerfahrten nach Mekka steigen unsere Verkaufszahlen. Aber auch zu anderen Festen, wie Hochzeiten, kaufen viele Menschen neue Kleidung. Sie wollen eben einen neuen Lebensabschnitt auch mit neuen Kleidern beginnen.
 
Ich selbst erinnere mich, schon als Kind Altkleider zu tragen zu haben. Meine Kleidung kaufe ich auch hie. Ich besitze nur wenige Kleidungsstücke, die ich neu gekauft habe oder beim Schneider anfertigen ließ. Altkleider sind sehr preiswert, auch die Qualität ist gut.
 
 
Ich heiße Hafidh Kassin. Ich bin 27 Jahre alt und studiere Journalismus in Dar es Salaam. Ich trage eigentlich nur Altkleider, denn sie sind billig und haben eine gute Qualität.
 
Für mich gibt es so etwas wie traditionell tansanische Kleidung nicht. Es gibt Kleidung, die durch die arabische Kultur beeinflusst wurde und die man in der Moschee trägt. Es gibt jetzt auch einen neuen Trend, aus Kangastoffen Männerhemden und Anzüge zu machen. Ich finde das OK, aber selbst würde ich sie nicht tragen. Für mich gibt es also nur zwei Alternativen: Altkleider zu kaufen oder in Asien hergestellte Neuware.
 
Kleidung, die in Asien produziert wird, ist schlecht verarbeitet. Die Nähte halten nicht, die Farben bleichen schnell aus und beim Waschen gehen sie ein. Hosen und Hemden, die ich auf dem Altkleidermarkt kauf,e halten bis zu dreimal länger als die Neuware aus den Geschäften. Außerdem sind die Klamotten aus Bangkok und Indien out. Dort benutzt man Polyester und nicht Baumwolle, und auch die Schnitte sind nicht mehr im Trend.
 
Die Altkleider, die ich in Dar es Salaam kaufe, kommen aus Amerika und England. Diese Kleidung ist einfach modern. Gerade junge Leute orientieren sich an der Mode, die sie im Fernsehen sehen. Und diesen Style kann man eben nur auf den Altkleidermärkten finden.
 
Auch bei Frauen finde ich westliche Kleidung attraktiver. Es ist OK, wenn Frauen Kangas zu Hause tragen oder wenn es bei ihrer Arbeit erforderlich ist. Aber auf der Strasse und in der Stadt sieht westliche Kleidung einfach besser aus.
 
 
Ich heiße Hussein Khamis. Ich bin 35 Jahre alt. Ich bin Mechaniker, verkaufe aber schon seit sieben Jahren Altkleider in Sansibar Stadt. Mein Stand ist in der Strasse gleich neben vielen anderen, die alle Altkleider anbieten. Ich verkaufe vor allem Hemden und Hosen für Männer, weil sie mehr Altkleider kaufen als Frauen. Vor allem junge Leute mögen Altkleider, nicht nur weil sie billig sind, sondern auch, weil sie im Trend liegen.
 
Die Kleidung, die ich an meinem Stand verkaufe, kommt aus England und den USA. Ich kaufe sie entweder in Dar es Salaam oder Sansibar bei Amani, einem Altkleidergroßhandel, ein. Es gab schon oft Beschwerden wegen der Qualität, die ich bei Amani einkaufe. Amani exportiert die beste Qualität und lässt nur die schlechtesten Textilien zum Verkauf in Sansibar. Doch die Überfahrt nach Dar es Salaam mit der Fähre ist teuer. Deswegen schließe ich mich manchmal mit anderen Händlern zusammen. Dann fährt einer von uns aufs Festland und kauft für uns alle ein. Nur so können wir uns das leisten und unsere Kunden zufrieden stellen. Altkleider kann man aber nur in großen Paketen kaufen. Man sieht nicht, welche Kleidungsstücke darin sind, bevor man sie gekauft hat. Man kann Glück haben, und es sind viele gute Stücke im Paket, oder man hat Pech und einige der Stücke will niemand kaufen. Der Verkauf von Altkleidern ist kein besonders gutes Geschäft, es reicht gerade so zum Überleben.
 
 
Mein Name ist Simai Ali. Ich bin 18 Jahre alt und Schüler in der Fukuchani Secondary School. Neben der Schule arbeite ich als Fischer und als Kassierer im Bus (Dalladalla).
 
So habe ich etwas Geld und kann meine Kleidung selbst zu bezahlen. Ich gehe ungefähr einmal im Monat zum Einkaufen, in die Stadt oder in das Nachbardorf, wo man neben Altkleidern auch neue Klamotten einkaufen kann. Ich mag es nicht, Altkleider zu tragen, denn sie sind schon von jemandem benutzt, den ich nicht einmal kenne. Früher habe ich die Sachen meiner Geschwister bekommen, heute trage ich aber nur neue Kleidung.
 
Kanzus, die traditionelle Kleidung für Männer, mag ich nicht. Aber ich habe drei Kofias. Das sind bestickte Mützen, die vor allem von Männern in der Moschee getragen werden. Aber ich trage sie auch in meiner Freizeit. Basecaps oder andere Mützen habe ich nicht. Manchmal kaufe ich meiner Mutter Kangas zu einem besonderen Anlass oder auch nur so.
 
In der Ausstellung, in der auch Kleidungsstücke zu sehen sind, kann man auch etwas über den Baumwollanbau in Tansania erfahren, sich den Weg von der Baumwollpflanze über die Herstellung einer Jeans bis hin zu ihrem Wiederverkauf auf dem Altkleidermarkt erfahren und lernt verschiedene Alternativen zur Entsorgung und Wiederverwertung von Altkleidern kennen.
 
Der entstandene Parcours kommt bei vielen Gelegenheiten zum Einsatz. Er bietet vielfältige Möglichkeiten für alle Altersstufen. So war der Parcours auch auf der "Mixed Pickle"-Aktionswoche gegen Rassismus 2005 im Brandenburgischen Velten im Einsatz.
 
Unsere Ergebnisse haben wir mit Menschen aus dem Tanzania-Network.de, dem Dachverband Fairwertung e.V., der sich um das faire Recycling von Altkleidern bemüht, und der Kampagne für saubere Kleidung, die sich für bessere Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie einsetzt, diskutiert. Zu Gast hatten wir eine Referentin der Caritas Dar es Salaam, die über die Bedeutung von Mitumba (Gebrauchtkleidung) in Tansania sprach.
 
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