Zauberwassser gegen Gewehrkugeln – der Maji-Maji-Krieg (1905-1907) in Deutsch-Ostafrika

"Ich hätte gern noch mehr über die Geschichte Tansanias erfahren."

BilderbogenVor 100 Jahren, an einem Julimorgen des Jahres 1905, versammelten sich die EinwohnerInnen des Dorfes Nandete im Südosten des heutigen Tansanias auf einer nahegelegenen Baumwollplantage. Sie kamen nicht – wie sonst – um zu arbeiten. Sie kamen, um die Pflanzungen, zu deren Anlage sie gezwungen worden waren, zu zerstören. Sie kamen, um der deutschen Kolonialregierung den Krieg zu erklären.

Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Kunde vom Aufstand, der innerhalb kürzester Zeit ein Gebiet von der Größe der Bundesrepublik Deutschland erfasste. Zum ersten Mal in der langen Geschichte des ostafrikanischen Widerstandes gegen die europäische Kolonialisation verband sich hier eine breite Front von bis zu 20 Völkern zum gemeinsamen Kampf. Hauptursache ihrer Unzufriedenheit war eine drastische Erhöhung der Steuern sowie der diversen Arbeitsleistungen, welche die schwarzen BewohnerInnen des Landes zu erbringen hatten. Darüber hinaus ermutigte und verband der von dem Propheten Kinjikitele verbreitete Glaube an das Maji (Kiswahili: Wasser) des Rufiji-Flusses die Völker. Er versprach den damit gewappneten Kämpfern Schutz vor den Kugeln des Gegners und sicheren Sieg über die Europäer.

DiskussionDie völlig überraschten und vor allem von der Breite des Aufstands verängstigten Deutschen reagierten mit drastischer Härte. Unter Einsatz des hier erstmals benutzten Maschinengewehrs wurden Hunderte der siegesgewissen Angreifer getötet. Nach dem Eintreffen der eiligst angeforderten Verstärkung durch sudanesische Söldner (Askari) und deutschen Marineeinheiten durchzogen dann militärische Strafexpeditionen das Land.

Den sich rechtzeitig Unterwerfenden wurden – nach Hinrichtung ihrer Führer − hohe Bußgeldzahlungen und Strafarbeiten auferlegt. In Gegenden, die sich nicht "befrieden" ließen, befahl Gouverneur von Götzen die Verschleppung männlicher Gefangener zur Zwangsarbeit sowie "die planmäßige Schädigung der feindlichen Bevölkerung an Hab und Gut". Tatsächlich bedeutete dies die systematische Verwüstung ganzer Landstriche durch die Truppen der Deutschen. In den Worten eines der führenden deutschen Offiziere sollten "Hunger und Not" die letzten Widerspenstigen der Kolonie zu "endgültiger Unterwerfung" zwingen. 

Wo liegt Tansania? 

Wo liegt Tansania?

Tatsächlich herrschte ab 1907/08, als auch die letzten Führer der Aufständischen gehenkt waren, Ruhe in "Deutsch-Ost" – und Grabesstille im "befriedeten" Gebiet. Vorausgegangen war eine der schrecklichsten Hungerkatastrophen in der Geschichte des Landes, verursacht durch die planmäßige Vernichtung von Dörfern, Feldern und Vorräten. Insgesamt, schätzen HistorikerInnen, fielen der deutschen "Strategie der verbrannten Erde" mehr als 100.000 Männer, Frauen und Kinder zum Opfer, mehr Menschen als während des Völkermords an den Herero und Nama in "Deutsch-Südwest", dem heutigen Namibia.

In Deutschland ist dieser "schlimmste Krieg, der an schrecklichen Ereignissen nicht armen deutschen Kolonialgeschichte" (J. Beez) bis heute verdrängt und kaum öffentlich thematisiert worden. Im Gegensatz dazu spielt er für das tansanische Selbst- und Nationalverständnis eine bedeutende Rolle. So steht der Maji-Maji-Krieg von 1905-1907 zum einen als Symbol für die traumatische Erfahrung der deutschen Kolonialisierung, zum anderen aber auch für den völkerverbindenden Kampf um die Unabhängigkeit des Landes.

"Eine Aufarbeitung der Kolonialgeschichte ist im 20. Jahrhundert ausgeblieben. Zu den Grundüberlegungen gehört die Frage: Was soll Inhalt der Aufarbeitung der deutschen und europäischen Kolonialgeschichte sein? Ganz gewiss NICHT die Vermittlung von Mitleid für die Schwarzen als hilflose, rückständige Opfer oder das Hervorrufen eines schlechten Gewissens bei den Weißen als ahnungslose Nachkommen blutrünstiger Täter. Es geht vielmehr darum, einen Prozess einzuleiten. Der erste und sehr entscheidende Schritt in diesem Prozess ist, eine Aussprache sowohl über aktuelle Fragen als auch über die Kolonialgeschichte herbeizuführen."

(Paulette Reed-Anderson, Université Cheikh Anta Diop de Dakar (Senegal))

DiskussionFür uns ist Kolonialismus eine der Ursachen für bis heute bestehende Ungerechtigkeiten zwischen Nord und Süd, für den alltäglichen und institutionellen Rassismus, mit dem sich schwarze Menschen in Deutschland konfrontiert sehen. Noch immer müssen TansanierInnen auf den Baumwollfeldern für einen Hungerlohn schuften, Kaffee für Dumpingpreise auf dem Weltmarkt anbieten, um Staatsschulden zurück zu zahlen und die Bedürfnisse von Menschen im Norden zu befriedigen. Doch das interessiert in Deutschland kaum jemanden. Wir möchten mit einem neuen Projekt ein weiteres Bildungsmaterial erstellen, dass diese Thematik näher behandelt und online für alle Interessierten verfügbar sein soll.

www.majimaji.tanzania-network.de/werkstatt/

Die Website enthält didaktisches Material für den Unterricht und gibt Raum für thematische Kommentare und Präsentationen.